Kapitel 9: Der kleine Druide Riwal und der Löwenzahn
- Daniela Herbaliste

- 4. Juli
- 5 Min. Lesezeit
Die Tage werden immer länger und Riwal wird jetzt schon früh morgens mit den ersten Sonnenstrahlen wach.
Heute scheint es wieder ein besonders schöner Tag zu werden. Nach dem Frühstück und seiner täglichen Danksagung überlegt Riwal, was er tun könnte.
Er hat keine Lust sich an seine Bücher zu setzen. Eigentlich müsste er an seinen Zaubertränken arbeiten und den Artikel « Wie verhindere ich, dass mein Zaubertrank explodiert » lesen, aber die warme Sommerluft zieht ihn nach draußen, weg von seinen Büchern.
Seit er den Winterrettich aus seinem Kräutergarten gezogen hat, war er nicht mehr dort gewesen. Das Unkraut ist seitdem gewuchert und es ist bestimmt viel zu tun.
« Bücher lesen kann ich immer noch abends, wenn die Sonne untergegangen ist » sagt er sich.
Beschwingt läuft Riwal die Treppe runter in Richtung seines Gartens.
« Das kleine Holztor müsste auch gestrichen werden, aber das mache ich ein anderes Mal » denkt er bei sich.
Er ist noch nicht durch das Tor, als ihm klar wird, dass seine Kräuter kaum mehr zu sehen sind.
Außerdem hat Juna ihm mal gesagt, es wären auch Erdbeeren hier irgendwo gepflanzt.
Wenn er auch noch nicht weiß, was Erdbeeren in einem Kräutergarten zu suchen haben, weiß er, dass er gerne die süßen Früchtchen isst und jetzt die beste Zeit dafür ist.
Das Erdbeerfeld ist nicht schwer zu finden, so groß ist der Kräutergarten ja nicht.
Aber trotz allem ist es total zugewachsen und außer ein paar roten Punkten ist von den Erdbeeren kaum etwas zu sehen.
Entschlossen macht er sich daran, mit Schippe, Hacke und bloßen Händen das Unkraut um die Erdbeeren herum herauszureißen.
Bald sieht man immer mehr Erdbeeren in dem Beet und Riwal seufzt zufrieden auf.
« So jetzt nur noch ein paar Löwenzähne und ich kann endlich meine Erdbeeren essen ... »
Der Löwenzahn scheint aber nicht dieser Ansicht zu sein, unmöglich ihn herauszureißen.
Die Wurzel ist so tief und fest verwachsen, dass er mit seiner Schippe nicht weiterkommt.
Er beschließt zu der Hütte zurückzugehen und einen Spaten zu holen.
Pfeifend und mit dem Spaten auf der Schulter kommt er zurückgeschlendert.
Gerade als er ansetzen will, hört er hinter sich ein Räuspern.
« Das würde ich lieber nicht machen...! »
Wieder einmal wird Riwal bewusst, dass er im Wald von Broceliande nichts machen kann, ohne beobachtet zu werden.
Zögernd dreht er sich um, in Erwartung auf ein Fabelwesen, ein Reh oder irgendeine sprechende Pflanze zu stoßen.
Überrascht stellt er fest, dass er dieses Lebewesen schon kennt und fast erleichtert grüßt er ihn.
« Guten Morgen Herr Gnom Gradan al Dulra. »
Diesmal scheint der Gnom besser gelaunt zu sein als mit dem Winterrettich.
Riwal sieht ihm an, dass er es trotzdem ernst meint mit der Warnung, den Löwenzahn nicht auszugraben.
« Wieso sollte ich das nicht tun? » fragt Riwal, « ich will doch nur Platz für meine Erdbeeren machen? »
Gnom: « Hat Juna Dir noch nichts über den Löwenzahn beigebracht?! »
Riwal versucht, sich zu erinnern und runzelt die Stirn. Hätte er wohl eine wichtige Lektion vergessen? Er hofft nicht.
« Äh... ich glaube nicht... » stottert er.
« Na dann komm mal mit, ich spendiere Dir einen Kaffee und erkläre Dir, was es mit dem Löwenzahn auf sich hat. »
Riwal mag keinen Kaffee, aber er trottet ohne Widerspruch dem Gnom hinterher.
Er will das mit dem Kaffee nicht zugeben, denn er ist ja kein Kind mehr und Erwachsene trinken ja täglich Kaffee.
Der Gnom hat wohl keine Zusage erwartet, da er sich in Bewegung gesetzt hat und Riwal sich beeilen muss, ihm zu folgen.
In Gedanken verloren stößt er auf einmal mit der Nase auf eine Eiche.
« Jetzt hat er den Gnom doch aus den Augen verloren, wo ist er hin? »
Da geht vor ihm eine Tür in der Eiche auf und der Gnom steht grinsend vor ihm.
« Vorsicht, die Stufen » sagt er und Riwal folgt ihm in die Tiefe.
Jetzt erinnert er sich, dass der Gnom seine Wohnung unter dem Rettichbeet hat und er hofft insgeheim, dass er nicht ein zweites Loch in die Decke gegraben hat.
Nach einigen Stufen kommen beide in Gradans Wohnzimmer an.
Erstaunt stellt Riwal fest, wie hell es hier ist.
Das ist zum Teil auch seiner Konstruktion mit Ravis Lampe zu verdanken. Aber auch ohne die Lampe schimmern die Wände golden wie in Sonnenschein gebadet.
Ravis Lampe lässt durch die farbigen Glasecken viele verschieden Farben in die Wohnung scheinen und zeichnet schöne Mosaike auf den Fußboden.
Gradans Wohnung besteht aus mehreren Höhlen, die der Gnom ihm bereitwillig zeigt.
In seinem Schlafzimmer hat er ein wunderschönes Wandbild aus getrockneten Blütenblättern hängen.
Es zeigt den See der Fee Morgane und die verwunschene Brücke, unter der sie im Nebel hervorkommt und wieder verschwindet.
Ein anderer Raum ist für das Trocknen von Kräutern reserviert.
Der Gnom hat fast mehr Kräuter als der kleine Druide in seiner Hütte. Überall hängen Pflanzen von der Decke sauber in Reihen sortiert.
An jeder Reihe hängt ein Schild mit der Pflanze, dem botanischen Namen und dem betroffenen Pflanzenteil. Mal sind es Wurzeln, mal Blätter und mal Blüten. Beim genaueren Hinsehen stellt Riwal fest, dass es immer derselbe Pflanzenname ist: Taraxacum officinale?
« Wieso sammelst Du nur Löwenzahn? » fragt Riwal, der trotz allem den lateinischen Namen erkannt hat.
« Es gibt doch so viele andere Heilkräuter? »
Gnom: « Weil der Löwenzahn ein Alleskönner ist und man so viel damit machen kann. »
Jetzt kommt Riwal aus dem Staunen gar nicht mehr raus « Alleskönner? »
Sie sind jetzt wieder im Wohnzimmer angekommen und der Gnom macht sich am Herd zu schaffen.
« Setz Dich » sagt der Gnom, als er mit zwei dampfenden Tassen ankommt.
Erstaunt begutachtet Riwal das Getränk, es sieht so aus wie Kaffee, riecht wie Kaffee, ist aber keiner...
Jetzt holt der Gnom aus: « Ja, das ist Kaffee aus Löwenzahnwurzeln, ohne Koffein, reich an Mineralstoffen und gut verdaulich.
Dazu kann ich Dir ein Frühstücksbrot mit Löwenzahnmarmelade anbieten. Die habe ich gerade diese Woche aus den frischen Blüten gemacht. »
Erstaunt betrachtet Riwal das Glas, das wie Honig aussieht.
Goldgelb und cremig leuchtet die Flüssigkeit und als er einen Teelöffel davon probiert, schmeckt er auf einen Schlag die ganze Frische einer Frühlingswiese.
Ein süßer blumiger Geschmack, außerordentlich!
« So! » reißt ihn der Gnom aus seiner Begeisterung heraus.
« Der Löwenzahn ist wirklich für fast alles gut. Seine Blätter geben einen ausgezeichneten Salat. Vitaminreich und blutreinigend ist dieser Salat, mit etwas Schnittlauch die beste Weise, im Frühjahr wieder auf Vordermann zu kommen.
Als Tee nimmt man die Blätter für Blasenentzündungen, Wasseransammlungen, Gicht und Rheumabeschwerden.
Der Löwenzahn ist wie eine Waschmaschine, er gibt erst das Waschmittel an die Leber und hilft dann der Niere, alles auszuspülen.
Im Falle von Übelkeit, schwerem Essen ist es besser, zu den Blättern auch getrocknete Wurzeln zu geben.
Hast Du Warzen, kannst Du den Latex der Stängel benutzen und direkt darauf tropfen.
Die Blüten sind ein Schmaus für Bienen und allerlei Insekten.
Außerdem kannst Du aus den Blüten meinen berühmten Frühjahrswein machen.
Den gibt es jedes Jahr bei der Sommersonnenwende.
Aus den Blüten, Wasser und Zucker entsteht ein gegorenes Getränk, das jedes Fest besonders macht.
Dazu ein Cornetto mit Löwenzahneis und der Tag ist perfekt.
Auch bei trockener Haut kann Löwenzahn Dir helfen: Der Ölauszug der Blüten ist bei Ausschlag und Hautunreinheiten zu empfehlen. »
Riwal schwindelt es von so vielen Informationen und er hofft, er kann sich das alles behalten. Nach diesem zweiten Frühstück verabschiedet er sich dankend.
Wieder oben an der Tür der Eiche fragt ihn der Gnom mit Blick auf den Kräutergarten: « Und willst Du jetzt immer noch den Löwenzahn ausgraben? »
Schmunzelnd antwortet Riwal: « Nur, wenn ich damit etwas machen kann, sonst lasse ich ihn den Bienen und Deinem nächsten Rezept Gradan. »




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