Kapitel 1 : Der kleine Druide und die Brennessel

© Illustration Emilien Dumoulin Chaparu

« Aua ! Jetzt fällt mir schon zum zweiten Mal eine Nuss auf den Kopf ! Das kann doch gar nicht sein !

« Ist da jemand ? » Riwal dreht sich um sieht aber niemand

« jetzt laufe ich schon seit Stunden durch diesen Wald und mir wurde gesagt, eine Hütte stünde für mich bereit. Ich sehe aber weit und breit nur Brennesseln und aller Art von Bäumen »

« Aua ! Noch einmal ! Egal wer Sie sind, zeigen Sie sich ! »

Aus dem Augenwinkel sieht er etwas Rotbraunes vorbeihuschen.

« Ich wiederhole : Zeigen Sie sich ! »

Auf einmal sieht er einen buschigen Schwanz und grosse Kugelaugen,

« Ich hab gedacht, Du würdest mich nie bemerken ! »

Es wundert Riwal nicht mal, dass das Eichhörnchen mit ihm spricht, er

 hat schon immer mit Tieren geredet, auch wenn es bisher eher die Spatzen im Garten und die Pferde auf der Weide waren.

« Wieso beschmeisst Du mich mit Nüssen?! »

« Weil Du den falschen Weg gehst ! »

« Wie den falschen Weg ?! Es gibt hier nur einen Weg, der geht seit der Bahnstation immer geradeaus und auf dem Schild stand : Broceliande, die Schule von Waldoria. »

« Du bist schon seit einer Stunde angekommen und schon dreimal an Deiner Hütte vorbeigelaufen. Wenn Du dem Wald nicht zuhörst, wirst Du sie nie finden. »

Fassungslos setzt er sich auf einen Stein und kratzt sich am Kopf : « ich versichere Dir, die erste, die ich höre bist Du »

« Und die Eiche hast Du nicht gehört ?! So laut habe ich sie noch nie gehört... 

Dann warst Du bei einem Wasserlauf und die Trauerweide hat es auch versucht, mit Dir zu reden...

Aus lauter Verzweiflung haben sie mich gerufen, alles muss ich selber machen !

Du willst ein Druide werden ? Bist Du da sicher ? Dein Lehrer tut mir jetzt schon leid....»

« He, » erwidert der junge Mann « jetzt reicht es aber, ich sage Dir, ich habe nichts gehört....Vielleicht hätte man mir sagen sollen, dass auch Bäume mit mir sprechen könnnen ! »

Das Eichhörnchen sieht langsam ein, dass er es ernst meint und lenkt ein.

« Na gut, auf jeden Fall musst Du jetzt hier abbiegen, sonst läufst Du noch ein viertes Mal an Deiner Hütte vorbei. »

« Hier mitten durch die Brennesseln ? » fragt er entsetzt

« Ja, konzentriere Dich auf Sie. Was will Sie Dir sagen, wenn Sie Dich brennt ?

"Du siehst müde aus, ich kann Dich wecken und Dir das Lebensfeuer wiederbringen"

Eine Brennessel ist voller wichtiger Vitamine und Mineralstoffe, jeder, der hier im Wald krank ist, weiss das. Sie weist Dich aber auch in Deine Schranken. Die Schranken, die Du Dir selbst setzt. Bist Du der Brennessel würdig, lässt sie Dich vorbeigehen ohne zu brennen. Bittest Du sie um Hilfe, kannst Du sie pflücken. Sie bietet Dir Schutz wenn Du sie um den Hals trägst, Nahrung und Lebenskraft wenn Du sie richtig zubereitest. »

Das war zuviel Info auf einmal für Riwal

Er steht benommen auf und schüttelt den Kopf

« Atme langsam ein und aus und zähle jedes Mal bis fünf » befiehlt ihm das Eichhörnchen

« Rieche die Erde um Dich, fühle,wie Du eins mit dem Boden wirst und sprich mit ihr wie mit mir »

« Hallo Brennessel » sagt er unsicher, « Ich bin es, Riwal der dritte, aus der Familie der Soazic »

« Hallo Riwal » rauscht es aus den Blättern der Brennessel und er wäre beinahe vor lauter Überraschung mitten hineingefallen.

« Wie kann ich Dir helfen ? »

« Äh... ich suche den Weg zu meiner Hütte für meine Ausbildung zum Druiden »

« Folge den Eichhörnchen, ich lasse den Weg frei »

Und aufeinmal biegen sich die Stengel so zur Seite, dass ein Pfad sichtbar wird, der auf eine Lichtung im Walde zu führen scheint.

« Vielen Dank liebe Brennessel » erwiedert er und auch das Eichhörnchen scheint errleichert zu sein.

« Na vielleicht hast Du ja doch das Zeug zum Druiden.... »

Sie folgen dem Pfad eine Viertelstunde lang und es wird immer heller im Wald. Verwundert stellt er fest, dass es auf den Waldrand zugeht.

Einmal dreht er sich um und sieht, dass sich der Weg hinter ihm wieder schliesst und nichts mehr von dem Pfad zu sehen ist.

Ausserdem ist er sich jetzt nicht mehr sicher, ob die Brennessel wirklich mit ihm geredet hat.

Auf eimal tut sich der Wald auf und er hätte schwören können, in der Ferne das Meer zu sehen.

Auch wenn er weiss, dass er im Innersten der Bretagne ist und das eigentlich nicht möglich ist.

Zu seiner Linken steht die kleine Hütte, die er seit Stunden gesucht hat

Sie hat ein mit Moos bedecktes Dach und sieht aus unersichtlichen Gründen aus wie eine Pfahlbaut.

Je mehr er sich nähert, desto bewusster wird ihm, dass sie etwas verwahrlost aussieht. Das Gras steht mannshoch und man kann nichtmal den Eingang geschweige denn die Treppenstufen sehen.

« Auf geht's, wir haben keine Zeit zu verlieren » drängt das Eichhörnchen « heute Abend ist das grosse Fest und wir haben noch viel vorzubereiten »

Er reibt sich müde die Augen und fragt « das grosse Fest ? »

« Ja, das Mondfest Samhain, meine Güte nicht mal das weisst Du ?!  Die Novizen stellen sich der Gilde vor und müssen für das Essen sorgen, es sind ca 50 geladene Gäste »

« Waaas ?! Und das sagst Du mir erst jetzt ? »

Der kleine Druide springt die Treppe hoch und wäre fast in das Loch einer fehlenden Latte der Terrasse gefallen .

Das Eichhörnchen rollt mit den Augen und fasst sich fassungslos an den Kopf.

« Hat man Dir nicht gesagt, Du sollst Ideen für ein Menü suchen ? »

« Euh... ich war so aufgeregt nach der Zusage der Ausbildung, dass ich nicht alles ganz genau gelesen habe... Hast Du nicht gesagt, die Brennessel kann man essen... ? »

« Ja, kann man.... »

----- Fortsetzung folgt----

© Illustration Emilien Dumoulin Chaparu

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