Kapitel 5 Riwal und die Zimtsuppe
- Daniela Herbaliste

- 26. Nov. 2024
- 6 Min. Lesezeit
Riwal hat gerade fertig gegessen und Juna ist nach Hause gegangen,
Es war mal wieder ein lehrreicher Tag und nach dem Essen hat er wie immer brav seinen Verdauungs-Tee getrunken.
Er fragt sich, wie er alles behalten soll, was Juna ihm täglich beibringt. Sein Kopf ist so voll, dass er fast Kopfschmerzen hat und ungewöhnlich müde fühlt er sich auch.
« Ich hoffe, ich werde nicht krank, jetzt ich nicht der beste Zeitpunkt dafür. »
Gedankenverloren macht er den Abwasch, im Wald wird es langsam ruhig und bald wachen die nächtlichen Geschöpfe auf. Das Fenster über dem Waschbecken ist leicht geöffnet, er mag es frische Luft zum Schlafen zu haben.
Der Vorhang bauscht sich auf, eine überraschend würzige Brise weht herein.
Irgendwie ist der Wald nicht so dunkel, wie er sein sollte. Trotz der kühlen Luft wird es ihm auf einmal warm und die Hütte dreht sich unter seinen Füssen.
Schwindelig denkt er « Ich muss wohl Fieber haben »
Er starrt wieder durchs Fenster: Er meint, Glöckchen gehört zu haben.
Der Wald schimmert und das Geräusch wird immer lauter. Ein flackerndes Licht wird immer deutlicher: brennt der Wald etwa?
Angestrengt versucht er genauer zu sehen, was da auf ihn zukommt. Denn da kommt etwas. Was, weiß er nicht aber in Broceliande ist alles möglich: ein Drache, Nessie von Loch Ness oder Ähnliches.
Jetzt traut er sich doch nach draußen, er ist zu neugierig.
Schwankend hält er sich am Geländer seiner Terrasse fest.
« Was Fieber nur alles auslösen kann... » denkt er sich « Ich könnte schwören, vor mir steht ein Kamel mit einem Mann mit Turban darauf. »
Entschlossen dreht er sich wieder um « ich muss jetzt wirklich ins Bett mit einer Wärmflasche und morgen geht es mir bestimmt wieder besser. »
« Halt! Warte doch » ruft es ihm nach.
« Jetzt höre ich auch noch Stimmen. Wie werde ich das nur wieder Juna erklären...? Seufzt er
« He! Hörst Du mich? »
Riwal bleibt wie angewurzelt stehen, mit Blick auf seine Haustür traut er sich nicht sich umzudrehen. Innerlich kämpft seine Neugier mit seiner Vernunft, die einen solchen Anblick mit Kamel und einem offensichtlich indischen Mann unmöglich hält.
Letzten Endes siegt die Neugier und er dreht sich doch um.
Jetzt sieht er eindeutig den Kopf des Kamels und den Inder mit seinem Turban auf der Höhe seiner Terrasse.
Das Kamel ist reich geschmückt mit goldenen Glöckchen, die er schon von weitem vernommen hat.
Der Inder trägt seinen Turban und ist mit einem weiten, farbigen Gewand gekleidet. Er trägt einen lustigen Schnurrbart und um den Hals trägt er einen dicken Schal und viele goldene Ketten.
Der Stoff seiner Kleidung ist fein gewebt und mit goldenen Fäden durchwirkt.
Bei jeder Bewegung schillert er fast von alleine.
Er trägt vor sich an einem Ast eine silberne Lampe mit orangenen Gläsern und die Kerze darin hat eine unglaubliche Leuchtkraft.
Dagegen sieht das Licht in seiner Hütte fast dunkel aus.
« Hallo, ich bin Riwal, wie kann ich Ihnen helfen? »
« Sehr erfreut, ich bin Ravi, fahrender Händler aus Ceylon in Indien und Mitglied der Karawane aus dem fernen Osten. »
« Karawane?! » entgegnet Riwal « gibt es sowas noch? »
« Natürlich, was glaubst Du, wo sonst alle Deine Gewürze herkommen? Ich wäre sonst nicht hier, wenn sich das nicht lohnen würde! "Geschäft ist Geschäft!"
Riwal murmelt: « Da bin ich mir noch nicht sicher, ob Du wirklich hier bist... »
Laut sagt er « Und wo ist die Karawane, ich sehe außer Ihnen niemand. »
Ravi: « Das ist ja das Problem, die habe ich vorhin verloren. Ich habe auf meinem Kamel meditiert und nicht gesehen, dass mein Kamel den anderen nicht mehr gefolgt ist. Es suchte Wasser und hat an Deinem Bach getrunken. »
Riwal versucht sich vorzustellen, wie man auf einem Kamel meditieren kann. Eigentlich muss man dazu ruhig sitzen und mit gekreuzten Beinen auf einem Kamel sitzen scheint auch nicht einfach zu sein.
Da er selber nicht mal die Beine kreuzen kann, scheint ihm das alles unmöglich.
« Junge, Du siehst mich immer ungläubiger an... Ich bin wirklich da, lass es mich Dir beweisen. Kennst Du die Gewürze aus meiner Heimat? Auf was hast du gerade Lust? Pfeffer, Ingwer, Vanille...?
« Hatschi » entfährt es Riwal mit einem lauten Niesen.
« Tut mir leid. » Er hatte sich gerade noch die Hand vor den Mund halten können.
« Junge, Ravi hat etwas für Dich! Dein Zustand scheint mir etwas wackelig zu sein, ist Dein Kopf schwer und Deine Glieder schmerzen? »
« Ja genau » erwidert Riwal « endlich jemand der sieht, dass er Ruhe braucht.
Und Ravi zieht aus seinem Gewand ein rotgoldenes Fläschchen « Rieche mich!! » steht darauf.
« Hier eine Mischung aus Essenzen, die Dir schon beim Atmen helfen werden. »
Darin sind Orangenschalen, Nelken, Eukalyptus, Rosmarin und vor allem Zimt. Gemeinsam wurden die Gewürze auf eine besondere Art zubereitet. »
« Riech daran. » befiehlt Ravi
Vorsichtig öffnet Riwal das Fläschchen und wird mit einem Atemzug weit in die Ferne gezogen.
Vor sich sieht er jetzt die Karawane und wie sie aus Indien gekommen ist. Sie ist durch Wind und Wetter, durch Wüsten und Steppen, durch Oasen und Flüsse immer weiter nach Westen gezogen.
Bis hier nach Broceliande.
Es waren 21 Kamele mit verschiedenen Händlern und vollgepackt. Alle Taschen quollen über von Samt und Seide, Schmuck, getrockneten Früchten, eingelegten Kräutern und Zaubertränken.
Riwal kommt wieder zu sich in den Wald und fragt verwundert: « Warum reist Ihr so weit von Indien bis hier in die Bretagne? »
« Weil die Misteln aus der Bretagne die besten sind. Nur Druiden können sie richtig schneiden und zubereiten. »
« Noch etwas zu lernen. » seufzt Riwal.
« Jetzt aber zurück zum Zimt » unterbricht ihn Ravi « hast Du schonmal Zimtsuppe gegessen? »
Bevor Riwal antworten kann, springt der Händler von seinem Kamel und ist gleich viel kleiner. Sein weites Gewand verbirgt einen runden Bauch und er ist mindestens einen Kopf kleiner als Riwal.
Verwundert fragt sich Riwal, wie Ravi es auf den Rücken des Kamels geschafft hat.
Flink erklimmt der Händler die Treppe der Terrasse, unter seinem Arm einen gerollten Teppich und eine bauchige Ledertasche.
Er hängt seine Lampe an den Giebel Riwals Hütte und gleich wird die Terrasse viel festlicher.
Den Teppich rollt er aus und unter Riwals Füssen wird es unverzüglich warm.
Aus der Ledertasche holt der Händler einen Klapptisch. Niemals hätte Riwal gedacht, dass man Holz so vielfach falten könnte.
Über den Tisch kommt eine seidige blaue Tischdecke, auf der Sterne leuchten.
Aus der Ledertasche holt Ravi einen Rechaud und einen Kupfertopf.
Riwal kommt aus dem Staunen nicht mehr raus... « Wie kann die Ledertasche nur so großräumig sein? »
Immer wenn er denkt, das war es, holt der Händler noch etwas hervor. In kurzer Zeit sieht seine Terrasse aus wie ein orientalischer Bazar.
Jetzt beginnt Ravi, seine Zimtsuppe zuzubereiten. In den Kupfertopf gibt er 1 Zimtstange, einige Gewürznelken, 2 getrocknete Feigen, ein Stück Ingwer und etwas Wasser.
Bald erfüllt der würzige Geruch den ganzen Wald.
Am Waldrand sieht er im Dunkel die Augen der nächtlichen Bewohner des Waldes, die dem ganzen wie bei einer Vorführung zusehen.
Selbst Juna kann er von weitem auf Ihrer Terrasse sitzen sehen.
Nach kurzer Zeit ist das Gebräu fertig und Ravi gibt es in ein Tongefäß. Mit einem kleinen Löffel entnimmt er etwas und vermischt es in einer Tasse warmen Wasser. Dann streckt er Riwal die Tasse hin.
Vorsichtig führt Riwal seine Lippen an die Tasse. Mit kleinen Schlucken trinkt er davon.
« Das schmeckt ja köstlich. » ruft er aus.
Nach und nach fühlt er die Wärme durch seinen Körper gehen. Wie eine neue Energie fließt der Zimt durch seine Adern und sein Kopf fühlt sich schon leichter an.
« Und wie finden wir die Karawane jetzt?» fragt er zwischen zwei Schlucken.
Ravi: « Warte noch etwas, bis die Zimtsuppe vollends ihre Wirkung entfaltet. »
Es stimmt, jeder Schluck scheint ihn mehr zu wecken und seine Sinne zu schärfen.
Riwal wird immer zuversichtlicher.
« Du als Druide hast besondere Kräfte. » sagt Ravi.
Mein Name Ravi bedeutet « die Sonne » die ich immer mit mir trage.
Aber als Druide beherrschst Du mehr als nur die Sonne, Du weißt es nur noch nicht.
Riwal wächst immer mehr über sich hinaus. So schwach, wie er sich vorhin gefühlt hat, so stark fühlt er sich jetzt.
Er atmet tief ein und wie Juna es ihm beigebracht hat, schließt er die Augen, damit er den sechsten Sinn rufen kann.
Auf einmal sieht er die Karawane wieder vor sich, gar nicht weit weg von hier.
Schmunzelnd denkt er an die Brennnessel und wie das Kamel sie durchquert haben muss. « Sind Kamele an den Beinen empfindlich?
« Führ mich zu ihnen! » bittet Ravi, der weiß, dass es Riwal geschafft hat, die Karawane zu sehen.
Wie im Wind ist der Teppich und der Rest in Ravis Tasche verschwunden.
Stattdessen holt er eine kleine Leiter heraus und jetzt versteht Riwal auch, wie man auf ein Kamel steigt.
Es ist erstaunlich bequem hier oben, auch zu zweit ist genug Platz.
Es schaukelt leise vor sich hin und Riwal gibt nach die nach die Richtung an.
Auf einmal sieht er ein sehr helles Licht im Wald und schaut ihm blinzelnd entgegen.
Riwal erwacht in seinem Bett, das im vollen Sonnenlicht steht. Die Wirkung des Zimtes muss irgendwann nachgelassen haben, denn Riwal kann sich nicht erinnern, wann sie wirklich die Karawane gefunden hatten.
Aber in seiner Hütte riecht es immer noch angenehm nach Zimt und auf dem Küchentisch steht der Kupfertopf, das Tongefäß, das goldene Fläschchen und ein Rezeptheft mit rotem Deckel.
Natürlich auch ein Päckchen mit Zimtstangen in ein weißes Tuch eingelegt.
Dabei liegt ein kleiner Zettel mit « Gute Besserung » darauf.
Das Heft mit dem Titel « Zimt Rezepte » liegt auf ein paar Plätzchen, auch Lebkuchen genannt.
« Wow, Ravi hat sich nicht lumpen lassen! So schnell werde ich nicht wieder krank. »
In dem Rezeptheft ist eine Seite für die Wirkungen des Zimts reserviert:
Zimt hilft, stark zu bleiben
Stark gegen Eindringlinge
Zimt entfacht das Feuer in Dir
Zimt motiviert Dich und bringt den Sonnenschein wieder in Dein Leben
« Zimtsuppe werden ich demnächst auch für Juna machen » sagt sich Riwal.



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