Kapitel 7 : Riwal, der Winterrettich und die Fee
- Daniela Herbaliste
- 3. März
- 6 Min. Lesezeit

Die Tage werden langsam länger und Riwal traut sich immer mehr aus seiner Hütte, um den Wald zu erkunden.
Hier und da sieht man schon die ersten Schneeglöckchen sprießen und die Vorfreude auf den Frühling wächst immer mehr.
Heute hat er vor, dem kleinen Bach zu folgen und zu sehen, wohin damals das Nussschiffchen des Barden Rory getrieben ist.
Er folgt dem Pfad entlang der moosbewachsenen Steine am Bachrand.
Nach die nach öffnet sich der dichte Wald und es wird immer heller. Die kalte Wintersonne spiegelt sich im Wasser. Er hört, wie das Wasser über die Steine springt und wie die ersten Vögel zwitschern. Sie sind noch ganz aufgeplustert, denn es ist trotz Frühlingsgefühlen noch kalt.
Dann hört er von weitem ein Bellen in unregelmäßigem Abstand.
« Kann das ein Wolf sein ? » fragt sich Riwal erschrocken
« Bellen Wölfe überhaupt ?
Jetzt geben die Bäume endlich den Blick frei. Nach der letzten Schlinge des Baches ergießt er sich in der Ebene auf einen See. Leichter Nebel steigt auf und der Wald hält inne.
Dieser Ort ist wunderschön, aber auch etwas furchterregend. Das Wasser ist glasklar und hat eine grünblaue Farbe.
Riwal meint, in der Ferne eine massive Steinbrücke zu sehen und im Nebel taucht ein Ruderboot unter der Brücke auf.
Es gleitet still und ohne Ruderer über das Wasser.
« Das kann doch nicht sein ? » Riwal reibt sich die Augen
Er hört wieder das Bellen und das Ruderboot schwankt gleichzeitig bedenklich
« Vielleicht liegt ein verletztes Tier im Boot und es treibt nur so dem Ufer zu. »
Riwal legt einen Schritt zu und kommt fast gleichzeitig mit dem Ruderboot am Ufer an.
Überrascht bleibt er vor dem leeren Boot stehen « kein Tier und schon gar kein Wolf » sagt er fast erleichtert
Da kräuselt sich die Luft vor ihm und er spürt einen leichten Windhauch im Gesicht.
Vor ihm bildet sich wie von Geisterhand eine Gestalt.
Er hört sie, ehe er sie vollends sieht... und sie hustet ! Ja, denn es ist eindeutig kein Bellen sondern ein Husten.
Der Nebel lichtet sich jetzt vollends und vor ihm steht eine junge Frau mit langen, dunklen Haaren. Auf ihrer Stirn ist ein Halbmond tätowiert. Sie trägt einen blauen Filzumhang, der mit silbernen Fäden gesäumt ist. Um den Hals trägt sie eine Kette mit einem weißen Mondstein.
Man kann fast ihre silberne Aura sehen, die sich mit jedem Husten wie ein schlechtes Bild verzieht.
« Hust, Hust, Guten Morgen Riwal, was bringt Dich heute zum See ? Hast Du ein Anliegen für die Fee Morgane ? »
Riwal traut sich kaum zu antworten, verlegen sagt er « Nein, ich war nur im Wald spazieren »
« Und wie weit bist du mit- Hust-Hust- mit Deiner Fortbildung junger Druide ? »
Riwal blickt in Gedanken auf die verbrachte Zeit seiner Ausbildung mit Juna zurück.
« Ich habe schon einige Heilmittel für den Winter kennengelernt. Meine Freunde, die Zitrusfrüchte und die Geschenke von Ravi, dem fahrenden Händler, haben schon einige Erkältungen verhindert. »
Jetzt wird Morgane schon wieder von einem Hustenanfall gepackt und Riwal schweigt, solange, bis es besser wird.
« Aber mit so einem fetten Husten wie Ihrem Fee Morgane habe ich es noch nicht zu tun gehabt. Kann ich irgendwas für Sie tun ? »
Morgane hustet wieder und denkt kurz nach : « Gibt es neben Deiner Hütte immer noch den Kräutergarten ? »
Riwal nickt
« Dann geh doch dorthin und zieh mir einen schwarzen Winterrettich. Ein Drittel davon bringst Du mir gleich wieder, nachdem Du ihn durch den Mixer gezogen hast. Den Rest schneidest Du in dünne Scheiben und legst sie mit der gleichen Menge Zucker ein. Morgen bringst Du mir dann den Saft, der aus dieser Mischung entstanden ist. »
Sie sagt das so befehlend, dass Riwal keinen Einspruch erhebt, auch wenn ihm das alles nicht so klar ist.
« Bis später » sagt er und stolpert schon wieder den Bach entlang zu seiner Hütte zurück. Dort angekommen sieht er sich um und braucht etwas Zeit, bis er den Kräutergarten findet.
Er war ein oder zweimal mit Juna da gewesen, aber da im Winter kaum etwas wächst, war das keine Priorität gewesen. Er öffnet die Holzpforte und bleibt nachdenklich im Eingang stehen.
« Wie finde ich jetzt den Winterrettich ? »
Langsam läuft er durch die Reihen zwischen den Beeten und liest die Schilder eins nach dem Anderen :
« Thymian, Schnittlauch, Schafgarbe, Ringelblume... Nein, ich bin nicht in der richtigen Ecke. Rettich ist eine Wurzel, die man im Winter wahrscheinlich gar nicht sieht. »
Auf einmal steht er vor einem leeren Feld, auf dem nur ein paar verwelkte Blätter liegen. « Schwarzer Winterrettich » steht auf dem Schild und Riwal atmet erleichtert auf.
Er sieht jetzt, dass unter den verwelkten Blättern etwas in der Erde steckt und schon erkennt er wie ein großes schwarzes Radieschen und zieht daran.
Er muss fest ziehen, denn anfangs rührt sich der Rettich nicht. Langsam löst er sich und Riwal stellt erstaunt fest, dass er immer mehr ziehen muss, um ihn ganz herauszubekommen.
« 10cm, 20cm, 30cm... wie groß ist der denn ?! »
Er kann den Rettich kaum mit beiden Händen halten.
Jetzt hat er ihn endlich und verliert das Gleichgewicht, als sich das letzte Stück löst.
Betroffen liegt er auf der Erde und sieht in das große Loch, das der Rettich hinterlassen hat.
Da tippt es ihm auf die Schulter und Riwal hätte fast einen Herzschlag bekommen.
« Soll ich Dir auch ein Loch in Dein Dach der Hütte bohren ?! »
Riwal wirbelt herum und sieht erstmal niemand. Er ist wieder aufgestanden und steht alleine im Kräutergarten. Dann senkt er den Blick und sieht den Gnom.
Keinen Meter groß, mit lederner Haut sieht er aus wie ein Baumstamm.
Riwal hat schon von diesen Fabelwesen gehört, es ist ein Berggeist oder auch Gnom genannt, den er fast niedlich gefunden hätte, wenn er nicht so böse aussähe.
Dem Gnom rutscht vor lauter Ärger die Mütze über die Augen, und er stampft wütend mit seinen kurzen Beinen.
« Mitten im Winter machst Du ein Loch in meine Höhle ! So etwas gehört sich doch nicht! »
Riwal versteht gar nicht, worum es geht und lässt die Tirade über sich ergehen.
« Ein Rettich mitten im Winter ziehen, pff...!! Sowas macht man im Herbst, damit ich noch Zeit habe, das Loch vor dem Kälteeinbruch zu schließen. »
Der Berggeist bekommt sich gar nicht mehr ein. Riwal denkt wieder an die Fee und ihren Husten.
Wenn sie ihn um den Rettich gebeten hat, dann wusste sie schon, was sie tat, oder ?
Aber der Rettich war wirklich groß gewesen und es stimmt, er hat ein riesen Loch im Boden hinterlassen. Man sieht in die Wohnung des Gnoms sein Essen auf dem Tisch und man hört sein Radio spielen. Riwal könnte locker seine Teekanne durch das Loch and den Gnom weitergeben.
« Es tut mir wirklich leid » sagt er endlich, die Fee Morgane hat Husten und braucht den schwarzen Winterrettich. Ich bin in ihrem Auftrag hier » rechtfertigt er sich.
« Ja, ja...das sagen sie alle ! »grummelt der Berggeist. « Dann hilf mir wenigstens, das Loch zu stopfen ! »
Jetzt hat Riwal eine Idee : « Ich bin gleich wieder da » sagt er
Geschwind läuft er zu seiner Hütte .
Er nimmt eine Lampe vom Haken an seiner Terrasse. Diese hatte ihm der fahrende Händler Ravi hinterlassen. Wenn er sich nicht irrt, hat sie genau den Umfang des Rettichlochs.
Wieder im Kräutergarten zeigt er triumphierend die Lampe.
« Schau mal, diese Lampe passt in das Loch und wird Dir gleichzeitig Licht in die Wohnung bringen. Da der obere Teil aus Glas ist, kann die Sonne sogar in Deine Höhle scheinen »
Unstimmig begutachtet der Gnom die Lampe, wird aber immer neugieriger und hat fast ein Lächeln im Mundwinkel.
Ohne ein weiteres Wort nimmt er Riwal die Lampe ab und sie passt wirklich wie angegossen in das Loch.
Gemeinsam befestigten sie die Lampe und jetzt hat sich der Berggeist wieder beruhigt.
Nach einem kurzen Umweg in seine Küche läuft Riwal wieder mit seinem geriebenen Rettich zum See zurück.
Dort findet er die noch immer hustende Fee vor.
Er übergibt das Töpfchen mit dem Rettichbrei « Stimmt es wirklich, dass Du alles heilen kannst ? » fragt Riwal die Fee.
« Ja, das kann ich » erwidert sie
« Wieso kannst Du dann Deinen eigenen Husten nicht heilen ? »
Die Fee erklärt ihm : « Weil es zum heilen immer zwei braucht. Etwas von Deiner Lebenskraft geht in den Rettich über, und dieser hilft mir dann, wieder gesund zu werden.Würde ich das nur alleine machen, wäre der Rettich nur die Summe seiner Wirkstoffe : Fasern,Vitamin C und B, Senföle und seine pikanten Essenzen. Mit Deiner Absicht zu heilen wird aus dem Rettich das Heilmittel, das wir kennen : antibakteriell, hustenlindernd, verdauungsfördernd, gallenfördernd und Leber entgiftend.
Danke dafür kleiner Druide » verabschiedet sich die Fee und schon legt das Ruderboot geräuschlos vom Ufer ab.
Nebel stieg wieder auf, auch wenn es gerade noch sonnig war. Das Ruderboot verschwindet darin und die Fee mit ihm. Von weitem meint Riwal noch zu hören : « Bis Morgen, selbe Zeit, selber Ort ! Und grüß mir den Berggeist Gradan an Dulra von mir ! »
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